Gruppenbild mit Schatten

zum Bild A007.34A der Ausstellung HAFENMENSCHEN.


A005.42 – Ausstellungsbild

Wahrscheinlich hat er nicht daran gedacht, dass er selbst mit abgebildet wird, wenn er mit der Sonne im Rücken die Kamera auf das Motiv richtet. Immerhin hatte er die Schauerleute vor dem Entern des Seeschiffes in der Großen Seeschleuse noch zu einem Gruppenfoto überredet. So ist dieses Bild eines der wenigen Bilder, die meinen Vater beim Fotografieren zeigen. Man muss natürlich schon genau hinschauen.

Die Idee, das Gruppenfoto mit den Beschäftigten der Werft nachzustellen, war Extraklasse. Wenn man (in der Ausstellung) die Gesichter der Schauerleute und die der Werftkollegen auf der Aufnahme von Tobias Bruns anschaut, dann löst sich langsam die Zeitspanne zwischen den Aufnahme-Momenten auf. Eine berührende Brücke über den Lauf der Zeit. Was auch um uns herum passiert: Mensch bleibt Mensch.

Zur Aufnahme

Nur zu wenigen Negativen im Archiv habe ich die entsprechenden Positive. Weiß also nur bei wenigen – wenn auch durchaus den besseren – Aufnahmen, wie mein Vater sie belichtet und beschnitten hat. Dass es so wenige sind, liegt zum einen daran, dass nicht jedes Negativ für Wert befunden wurde vergrößert zu werden (das ist normal) und zum anderen hat sich nicht jedes Positiv wieder im Archiv eingefunden (auch das ist normal). Von den Bildern dieses Films und dieser Zeit sind mir keine Positive bekannt. Also bearbeite ich die Bilder so, wie ich es für richtig erachte.


A007.34 A – unbearbeitet nach Scannen

Bei diesem Bild habe ich durch Beschnitt des rechten Randes die Gruppe mehr in die Mitte gerückt, Kratzer und Flecken bereinigt und eine bordfremde Person auf dem Schiff im Hintergrund entfernt, da sie die Aufmerksamkeit von der Gruppe ablenkt.

Hintergrund

Was haben die Schauerleute an dem frostigen Januartag 1950 in der Großen Seeschleuse gesucht?


A007.35A – Einlaufende Dampfschiffe

In der Kammer der Großen Seeschleuse liegen (einlaufend – im Hintergrund ist rechts der markante Silo im Außenhafen und links im Bild schemenhaft die Westmole zu sehen) zwei Dampfschiffe: die JOSEPH FEUER und die AAGOT. Dem Sonnenstand nach müsste es kurz vor Mittag sein.

Beim Anblick dieser beiden Schiffe fragt man sich unwillkürlich, was alles so über die Weltmeere segeln konnte und wer sich freiwillig auf so ein Schiff begeben hat.

Die AAGOT[1] (Bj 1906) hat immerhin bis 1964 durchgehalten (abgewrackt in Belgien) und die JOSEPH FEUER[2] (Bj 1944) strandete 1951 nördlich von Bombay, wurde wieder flott gemacht und erlitt 1965 nach Ankerdrift vor Argentinien Totalschaden und wurde dort abgewrackt. Die JOSEPH FEUER war ein Liberty-Schiff[3]. Einige von ihnen sind während des 2. Weltkriegs und danach ohne Feindeinwirkung auf Tiefe gegangen, da die Güte des Stahls und die neuartige Schweißtechnik noch nicht ausreichend entwickelt waren und der Stahl bei kühlen Temperaturen gelegentlich an Schweißstellen spröde wurde und sich dann Risse an belasteten Stellen entwickelten.

Die AAGOT ist sichtlich unbeladen, die senkrecht stehenden Spieren an Deck lassen auf eine Übernahme von Holz schließen. Vermutlich im Industriehafen. Dort wurde zu der Zeit neben der Schrottverladung auch Holz sortiert und umgeschlagen.

Die JOSEPH FEUER liegt tief, weil beladen. Die Schauerleute sind bereits an Bord und haben schon die zweite Ladeluke freigelegt. Wahrscheinlich gehören die Schauerleute auf dem Gruppenbild dazu. Und ebenso wahrscheinlich hat das Schiff Getreide geladen. Die Persennings auf den noch verschlossenen Ladeluken (also über den Lukendeckeln) wurden damals benutzt, um empfindliches Ladegut vor Nässe zu schützen. Wie Getreide eben. Und: im Neuen Binnenhafen lagen zu der Zeit die beiden Schwimm-Getreideheber (Elevatoren). Ein paar Tage vorher (genau 1 Film vorher ;-) ) haben sie dort die FRIGGA gelöscht. Da mein Vater zu der Zeit bei der Elevatorgesellschaft beschäftigt war, wusste er um die Ankunft des Schiffes und kannte auch die Männer und war an dem Vorgang interessiert.

Die Schauerleute haben somit vermutlich die JOSEPH FEUER geentert und das Schiff auf dem Weg von der Schleuse bis zum Liegeplatz für das Löschen durch die beiden Getreideheber klar gemacht. Zeit ist Geld.

Die drei restlichen Bilder auf dem Film zur Ankunft der JOSEPH FEUER zeigen Reedereivertreter, Makler, Agenten, Stauereivertreter und Schauerleute beim Entern des Schiffes. Man beachte die komfortable Leiter.


A007.31A


A007.32A


A007.33A

Die Nummerierung der Bilder entspricht in ihrer Folge dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse.



(1) Quellen zur AAGOT
– https://www.shipsnostalgia.com/media/aagot.462121/
– https://skipshistorie.net/Bergen/BRG560SMKuhnle/Tekster/BRG56019060100000%20AAGOT.htm
(2) zur JOSEPH FEUER
– Hier nach Baunamen „Charles A. McCue“ suchen
– Registerseite mit Eintrag zu Charles A. McCue (ebenfalls aufsuchen)
(3) zu Liberty-Schiffen
– Wikipedia